Archiv 4. September 2018

Flugannullierung wegen Streik

BGH spricht Passagieren trotz Streiks Ausgleichszahlung zu

Der Bundesgerichtshof entschied heute, dass auch im Falle eines Streiks des Flughafenpersonals Passagieren eines anullierten Fluges Ausgleichszahlungen zustehen.

In dem vorliegendem Fall wurde an den Passagierkontrollen des Hamburger Flughafens gestreikt. In der Folge führte das Luftfahrtunternehmen den Flug ohne Passagiere durch und annullierte den Flug. Für diese Annullierung verlangten Passagiere eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung der EU.

Grundsätzlich Annullierung wegen Streiks möglich

Laut BGH kann ein Streik der Beschäftigen an den Passagierkontrollen zwar grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung darstellen. Von einer Ausgleichszahlung ist die betroffene Fluggesellschaft aber nur befreit, wenn sie die Folgen des Streiks nicht mit zumutbaren Maßnahmen abwenden kann. Dieser Nachweis konnte nicht geführt werden.

Keine Annullierung wegen abstrakter Sicherheitsbedenken

Die Fluggesellschaft kann die Annullierung in einem solchen Fall auch nicht auf Sicherheitsbedenken stützen. Die Sicherheit des Flugverkehrs sei Sache der zuständigen Luftsicherheitsbehörde, so der BGH. Ohne konkrete Anhaltspunkte für ein konkretes Sicherheitsrisiko kann eine Fluggesellschaft daher einen Flug nicht annullieren.

Autor: Rechtsanwalt Johannes Winkler

Klage wegen Flugverspätung immer in Deutschland

Fluggäste können eine ausländische Airline bei Flugverspätung vor deutschen Gerichten in Anspruch nehmen.

Wer einen (Rück-)Flug aus dem europäischen Ausland nach Deutschland bucht, kann im Falle einer Flugverspätung Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung vor einem deutschen Gericht einklagen. So entschied der EuGH am 07.03.2018 zum Aktenzeichen C-274/16, C-447/16 und C-448/16.

Geklagt hatten Fluggäste, die einen Flug nach Deutschland mit Zwischenstopp im Ausland gebucht hatten. Der erste Flug verspätete sich, weshalb die Passagiere mit insgesamt 13 Stunden Verspätung am Zielflughafen in Deutschland ankamen. Da die für die Verspätung verantwortliche Arline nur ausführend aber kein Vertragspartner war, hatten deutsche Gerichte Zweifel an den Ansprüchen der Passagiere.

Zielflughafen ist entscheidend

Für den EuGH kam es jedoch lediglich darauf an, ob der Zielflughafen der insgesamt zu betrachtenden Flugreise in Deutschland lag. Da dies der Fall war, können seiner Meinung nach auch deutsche Gerichte über Ausgleichsansprüche der Passagiere entscheiden.

Rechte der Flugreisenden weiter gestärkt

Die Rechte von Flugreisenden werden durch dieses Urteil weiter gestärkt. Dies vor allem, weil die Geltendmachung vor einem deutschen Gericht vielen Reisenden und Anwälten leichter fallen dürfte, als vor einem spanischen oder französiche Gericht.

Autor: Rechtsanwalt Johannes Winkler

Keine Mithaftung wegen hoher Geschwindigkeit

OLG Hamm schließt eine per se Mithaftung wegen hoher Geschwindigkeit aus.

Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 08.02.2018 – 7 U 39/17 – bestätigt, dass hohe Geschwindigkeit nicht automatisch zu einer Mithaftung an einem Verkehrsunfall führt.

Die Situation ist vielen bekannt: Man befährt den linken Fahrstreifen einer Autobahn und plötzlich zieht ein anderer Pkw von der rechten Spur herüber, teilweise ohne zu blinken. In der Regel ist eine solche Situation durch ein beherztes Bremsmanöver zu klären. Doch manchmal kommt es dabei auch zu folgenschweren Verkehrsunfällen.

Keine Geschwindigkeitsüberschreitung.

Schnell wird in solchen Unfallsituationen vor allem dem Autofahrer die Schuld zugewiesen, der „zu schnell“ auf der linken Spur unterwegs war. Dabei ist in vielen Fällen zwar die in Deutschland geltende Richtgeschwindigkeit von 130km/h überschritten worden. Eine echte Geschwindigkeitsbegrenzung lag jedoch nicht vor.

So lag es auch in dem von dem OLG Hamm zu entscheidenden Fall. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung war nicht gegeben. Der von hinten herankommende Autofahrer hatte lediglich die Richtgeschwindigkeit nicht eingehalten.

Maßvolle Geschwindigkeit entscheidend.

Solange sich ein Autofahrer mit maßvoller Geschwindigkeit auf einer Straße bewegt, geht von ihm somit keine erhöhte Gefahr aus. Dies entschied das OLG, auch wenn der Fahrer die Richtgeschwindigkeit überschreitet. Da in dem konkreten Fall die Straßen- und Verkehrsverhältnisse nach Ansicht des OLG eine Geschwindigkeit von 150 km/h zuließen, war dem Fahrer des herannahenden Pkw kein Vorwurf zu machen. Vor allem musste er nicht damit rechnen, dass plötzlich ein Pkw von der rechten Spur auf die linke wechselt. Denn die rechte Fahrbahn war frei. Es gab somit keinen Anlass für den plötzlichen Spurwechsel.

Autor: Rechtsanwalt Johannes Winkler

Hausbesitzer haften für Lösch-Schäden beim Nachbarn

BGH (V ZR 311/16) urteilt zu Haftung für Schäden an Nachbarhäusern

Mit Urteil vom 09.02.2018 (V ZR 311/16) hat der BGH dem Versicherer eines Hauses Schadensersatz für Schäden zugesprochen, die durch Löscharbeiten an einem Nachbarhaus entstanden waren. Bei Bauarbeiten geriet ein Haus in Brand. In der Folge verursachten die erforderlichen Löscharbeiten hohe Schäden an den angrenzenden Wohnhäusern.

Geklagt hatte der Versicherer eines Nachbarn gegen die Eigentümer des in Brand geratenen Hauses, weil das Bauunternehmen mittlerweile insolvent war. Nachdem die Klage in den ersten Instanzen erfolglos blieb, hat der BGH nun einen verschuldensunabhängigen (!) nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch anerkannt. Hierzu zog er die nachbarrechtlichen Vorschriften des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB heran. Diese Vorschrift ist den meisten Hausbesitzern vornehmlich aus Streitigkeiten über Laubfall und herüberwachsende Äste oder Wurzeln bekannt.

Autor: Rechtsanwalt Johannes Winkler

Geoblocking Adé – EU einigt sich auf Gesetzesänderung

EU-Parlament beschließt Abschaffung des Geoblockings

In Ihrer Abstimmung vom gestrigen Tage haben sich die Abgeordneten des EU-Parlaments auf eine weitgehende Abschaffung des sogenannten „Geoblockings“ geeinigt. Die Gesetzesänderung soll bis Ende 2018 in Kraft treten. Sämtlichen EU-Bürgern soll der gleiche Zugang zu online bereitgestellten Waren und Dienstleistungen ermöglicht werden. Bislang konnten Onlinehändler durch das Geoblocking verhindern, dass ein dänischer Onlinenutzer ihren französichen Onlineshop besucht oder dort einen Mietwagen mietet, Konzerttickets erwirbt oder anderweitig einkauft.

Handlungsbedarf für den E-Commerce

Damit soll nun Schluss sein, was Onlinehändler aufhorchen lassen sollte. Zukünftig muss auch der finnische Onlinehändler einen Kauf durch einen spanischen Kunden zulassen. Liefern muss er hingegen nicht überallhin. Es genügt, wenn er anbietet, dass der Kunde die Ware abholen kann. Auch strebt die Gesetzesänderung keine Preisharmonisierung an. Sie soll lediglich den freien Zugang aller EU-Bürger zu Waren und Dienstleistungen weiter stärken. Die Zukunft wird zeigen, wie der Handel hierauf reagiert. Fakt ist, dass Onlinehändler ihre AGB rechtzeitig an die Gesetzesänderung anpassen sollten, um Unklarheiten insbesondere hinsichtlich der Lieferverpflichtung vorzubeugen.

Vorerst keine Änderung bei urheberrechtlich geschützten Werken

Für alle Nutzer von Netflix und Co. gibt es leider noch keine Erleichterung. Sie müssen weiterhin damit leben, dass sie lediglich auf das Streaming-Angebot des Heimatlandes sowie ihres aktuellen Aufenthaltsortes zugreifen können. Urheberrechtlich geschützte Werke sind von der Regelung zunächst ausgeschlossen. Eine Überprüfungsklausel in der Gesetzesänderung sorgt jedoch dafür, dass binnen zwei Jahren eine Ausweitung des Geoblocking-Verbotes auch auf solche Inhalte durch die EU-Kommission überprüft werden muss.

Autor: Rechtsanwalt Johannes Winkler

BAG zum Rücktritt von Wettbewerbsverboten

Mit Urteil vom 31. Januar 2018 – 10 AZR 392/17 – hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen sowohl rechtlich als auch sachlich interessanten Fall entschieden:

Ein Arbeitnehmer verklagte seinen ehemaligen Arbeitgeber auf Zahlung der im Arbeitsvertrag in einer nachvertraglichen Wettbewerbsklausel vereinbarten Karenzentschädigung.  Da der Arbeitgeber trotz Zahlungsaufforderung nicht zahlte, schrieb der Arbeitnehmer per E-Mail, er sehe sich von nun an nicht mehr an das vereinbarte Wettbewerbsverbot gebunden. Obwohl er innerhalb des vereinbarten Zeitraumes trotzdem keine entsprechende Tätigkeit bei einem konkurrierendem Unternehmen aufnahm, sah das BAG in der per E-Mail übermittelten Erklärung einen wirksamen Rücktritt des Arbeitnehmers von dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Dieses stelle einen gegenseitigen Vertrag dar, von dem bei Nichtleistung zurückgetreten werden könne. Der Rücktritt wirke dabei jedoch nicht rückwirkend, sondern erst ab dessen Erklärung, weshalb dem Arbeitnehmer zumindest die bis dahin vereinbarte Entschädigung zugesprochen wurde.

Autor: Rechtsanwalt Johannes Winkler